2.8.1. Der Verlauf der Baumaßnahmen
Am 13. Mai 1938 war im Donauboten zu lesen: „Nun wird es ernst mit dem Bau der Reichsautobahn in unserer Gegend. Deggendorf, die Eingangspforte in den Bayerischen Wald, wird sich einer ungemein günstigen Lage zur Reichsautobahn erfreuen, da die weltbedeutendste Verkehrsstraße in großer Nähe vorbeiführen wird“ (43) Über den Streckenverlauf im Bezirk Deggendorf informierte man die Bevölkerung am 14. Mai in der Lokalzeitung (44).

Im November 1938 erschien in der „Bayerischen Ostmark“ ein Artikel über den „Baubeginn bei der Reichsautobahn: Es ist noch nicht allzu lange her, daß da draußen an der Mietrachingerstraße die ersten Maschinen, Gleise und Rollwägen angefahren wurden […]. Die Bagger schafften, daß es eine Lust war, ihnen zuzusehen, die kleinen[,] aber ungemein zugkräftigen Lokomotiven bewegten in den großen Loren das Erdreich hin und her und heute schon kann man vom Fuße des Thannberges bis hinauf über die ersten Höhen rechts der Mietrachingerstraße die Linienführung der Reichsautobahn klar erkennen“ (45).

In der gleichen Zeitung wird im Juli 1939 über den Baufortschritt Folgendes berichtet: „Neben dem Gebäude der einstigen Papiermühle [heute Mühlbogenstraße 47] sind die Erdmassen bereits in einer solchen Höhe aufgeschüttet worden, dass sie über das zweite Stockwerk hinausragen“ (46). Auch östlich von diesem Bereich wurde die Trasse bis in das Gebiet der Gemeinde Schaufling angelegt: „Weiter aufwärts sind ebenfalls große Veränderungen vor sich gegangen. Die Bagger leisten hier ganze Arbeit. Sie vermögen im wahrsten Sinne des Wortes Berge zu versetzen. Immer weiter schreiten die Arbeiten vorwärts. Seit einiger Zeit ist nun auch das Gelände über Haslach und Klessing hinaus in Angriff genommen. Da mußten vorerst umfangreiche Rodungen vorgenommen werden, bis mit dem Einsatz der Bagger begonnen werden konnte“ (47).
2.8.2. Die Reichsautobahn als Prestigeprojekt
Ebenfalls in der „Bayerischen Ostmark“ sollte am Beispiel des Autobahnbaus in unserer Gegend noch deutlicher als in den eben zitierten Auszügen die Modernität des NS-Staates veranschaulicht werden. Im Juli 1939 konnte man in dieser Zeitung lesen: „Mit steigendem Interesse verfolgt der Deggendorfer den Fortschritt der Arbeiten auf der Reichsautobahn, die nun bereits ein gewaltiges Ausmaß angenommen haben und allen so recht die Größe dieses einzigartigen Straßennetzes durch Großdeutschland empfinden lassen. […] Bewundernd bleibt er vor den mächtigen Betongewölben stehen, die in ihrem Innern den Mühlbach aufnehmen werden“ (48). Ein anderer Journalist hebt mit Hilfe eines gewagten historischen Vergleichs den Verewigungswillen des NS-Staates hervor: „Der leitende Ingenieur, der uns bereitwillig Auskunft gab, verglich die neue Straße mit den im Rheinland heute noch benutzten Römerstraßen – genau so unverwüstlich würde die Donaustraße“ (49). Auch der Mythos von der Erfindung der Autobahnen durch Hitler kommt in einem Beitrag vom August 1939 zur Sprache: „Unter den vielen Großtaten aber, die das Leben unseres Führers schon heute ins Legendäre verklären, werden für immer seine Autobahnen genannt werden müssen“. Über die im Bereich des Loses 135 vorgesehenen Maßnahmen heißt es: „Niemand wird diese gewaltigen Leistungen verfolgen können, ohne ein Stolzgefühl auf unsere Zeit, die spielend solche Wunderwerke vollbringt“ (50). Ende Oktober 1939 war in der „Bayerischen Ostmark“ über die Fertigstellung der Ruselstraßenunterführung


zu lesen: „Der Krieg unterbricht nicht die Fortführung unserer herrlichen Reichsautobahnen. Dafür haben wir Deggendorfer einen Beweis. […] Wir aber können stolz sein, daß das Riesenwerk unseres Autostraßenbaues auch im Kriege ruhig weitergeführt wird, mit jener selbstbewußten kraftvollen Gelassenheit, die unser Staat in allen seinen Aeußerungen zeigt“ (51).

2.8.3. Ästhetische Aspekte, Landschaftspflege, Tourismus und „Volksgemeinschaft“
Die größte Rolle in entsprechenden Beiträgen der Lokalzeitungen spielt die Attraktivität der Landschaft, durch welche die Trasse verlaufen sollte. Dem Wald kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu, wie aus einem im Juli 1938 im „Donauboten“ erschienenen Artikel hervorgeht: „Nach Deggendorf aber wird den Autobahngast für lange Zeit die Stille und Ruhe des Bayerischen Waldes umgeben. Er wird sich nicht sattsehen können an seinen waldbedeckten Zügen“ (52). In der gleichen Zeitung war im Zusammenhang mit den Wegeverhandlungen im Mai 1938 Folgendes hervorgehoben worden: „Gerade diese Teilstrecke wird den Kraftfahrern das Landschaftsbild des Bayerischen Waldes und zumal des Vorwaldes in der Gegend von Deggendorf und Umgebung in voller Schönheit erschließen. Diejenigen Mitglieder der Kommission, die erstmals in unserer Gegend weilten, waren entzückt von der Schönheit des Vorwaldgebietes, das sich ihnen im Glanz eines strahlenden Frühlingstages darbot“ (53). Ebenfalls im „Donauboten“ ist einige Monate später über den Streckenabschnitt des Loses 135 zu lesen, dass er „einen wunderbaren Blick in das ganze Bergland und in die Ebene bietet, von Haslach aus einen geradezu entzückenden Blick ins Donautal, in die nahen und fernen Berge des Bayer. Waldes, ins Mietrachinger- und Graflingertal und die nahen Höhen der Berge Ulrichsberg, Vogelsang, Hirschenstein usw.“ (54). Auch die beim Bau der Reichsautobahn angestrebte Versöhnung von Natur und Technik kommt in einem im November 1938 in der „Bayerischen Ostmark“ erschienenen Beitrag zur Sprache: „Man kann ohne weiteres heute schon feststellen, dass nirgends das Landschaftsbild beeinträchtigt wird. Im Gegenteil, überall wird die Landschaft durch dieses Bauprojekt erst voll zur Geltung und der ihm würdigen Bedeutung kommen“ (55). In einem anderen zu dieser Zeit veröffentlichten Artikel wird die Verwendung neuartiger in Kombination mit regionalen, traditionellen Baustoffen bei der Errichtung der Ruselstraßenunterführung hervorgehoben: „Großartig ist der Anblick der Eisenbetonbalkendecke mit ihren acht armierten Balken. Das Gewände der Unterführung ist ganz mit Granitverkleidung versehen und der schöne Haustein wirkt charakteristisch für unsere bergige Gegend“ (56).
Von der oben genannten Attraktivität der Landschaft erhoffte man sich zusammen mit dem Autobahnbau Impulse für den Tourismus: „Zunächst einmal wird die Bayerische Ostmark ein erwünschtes Reiseziel für alle Fremden bleiben, die Erholung in einem durch reiche landschaftliche Schönheiten ausgezeichneten Mittelgebirge suchen. Die heute wesentlich günstigere Verkehrsanbindung des Gaues, insbesondere auch nach dem Ausbau der Reichsautobahn Regensburg – Passau, wird diesen Fremdenverkehr nur fördern“ (57). Diese Entwicklung sollte in einem Zusammenhang mit dem Idealbild der “Volksgemeinschaft“ stehen: „Die Donaustädte Regensburg, Straubing, Deggendorf, Passau und Linz wurden ja erst neu entdeckt, ihre landschaftliche Schönheit und kulturelle Bedeutung wurde in den vergangenen Jahren von hunderttausend Reisenden in allen deutschen Gauen verkündet“ (58).


2.8.4. Ökonomische Aspekte
Wirtschaftliche Erwägungen spielen in den Artikeln regionaler Zeitungen keine entscheidende Rolle. Eine der wenigen diesbezüglichen Passagen lautet: „Deggendorf, als Handels- und Umschlagplatz, Donauhafen und Eingangspunkt in den Bayerischen Wald, wird durch die Reichsautobahn bedeutende Vorteile haben“ (59).
Wir bedanken uns herzlich bei der Gemeinde Schaufling für die Erlaubnis der Veröffentlichung und beim Verlag Ebner (Deggendorf) für die Zurverfügungstellung der Datei. Die Rechte am Text liegen bei Florian Jung. Die Rechte an den Abbildungen sind in den Bildunterschriften enthalten, oder liegen bei Mitgliedern der AGAB.
